Skill and Scale Up: Qualitätsmanagement

Volle Ladung Qualität

Ab 2035 können in der EU nur noch Autos zugelassen werden, die mit einem Elektroantrieb ausgestattet oder mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden. Das erhöht nicht nur den Produktionsbedarf, sondern auch die Anforderungen an die Zellen selbst. Welche Rolle das Qualitätsmanagement dabei spielt und was Hersteller beim Produktionsanlauf beachten sollten: Ein Überblick. 

Die Fertigung von Batteriezellen befindet sich weltweit an der Schwelle zur Massenfertigung und entsprechende Unternehmen haben sich zu entscheidenden Zulieferern für verschiedene Branchen entwickelt. Expertenschätzungen zur Folge verdreifacht sich im Vergleich zu heute bis 2030 die Nachfrage auf über 3 Terawattstunden (TWh) (Fraunhofer ISI). Zugleich häufen sich Ankündigungen von Zellherstellern, Automobil OEM, Start-Ups und Joint Ventures, bis zum Jahr 2028 den Aufbau einer jährlichen Produktionskapazität von mehr als 10 TWh erzielen zu wollen (Fraunhofer ISI). Diese Entwicklungen verdeutlichen: Der Markt für Lithium-Ionen-Batterien (LIB) boomt global – ungeachtet von Grenzen und Krisen. Was sie alle miteinander verbindet, ist die Herausforderung, ein ganzheitliches und wirksames Qualitätssicherungssystem zu etablieren, das an die jahrzehntelang bewährten Standards aus der Automobilindustrie anknüpft. Denn nur so können im Produktionsprozess Fehler zuverlässig vermieden, frühzeitig erkannt und die Folgen von aufgetretenen Fehlern minimiert werden, um einen reibungslosen Produktionsanlauf zu gewährleisten.

Was bedeutet Qualitätsmanagement in der Batteriezellfertigung?

Mit dem beschriebenen Wachstum der Branche nehmen auch die Anforderungen an die produzierenden Unternehmen zu, fehlerfreie Produkte in ausreichender Zahl herzustellen. Ein effektives und effizientes Qualitätsmanagement wird zu einem entscheidenden Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit.

Ziel ist dabei stets eine möglichst hohe Ergebnisqualität, d.h. eine reibungslos funktionierende Batteriezelle gemäß Kundenanforderungen sowie eine hohe Prozessqualität, also ein fehlerfreier Produktionsablauf, welcher die Ergebnisqualität direkt beeinflusst. Zur Absicherung beider Faktoren ist insbesondere im Automotive-Bereich die Zertifizierung nach Qualitätsstandards und die Erbringung statistischer Nachweise üblich. In diesem Rahmen stellen zahlreiche Automobilhersteller hohe Ansprüche an ihre Lieferanten. Relevante Themen umfassen hier nicht nur die Zertifizierung nach Qualitätsmanagementstandards wie der DIN ISO 9001, sondern auch branchenspezifische Zertifizierungen wie die IATF 16949. Darüber hinaus sind auch die Erbringung von statistischen Nachweisen der Maschinen-, Prozess- und Messmittelfähigkeit im Rahmen der Vorgehensweisen des VDA relevant. Die komplexen und in ihrer Gesamtheit einzigartigen Herausforderungen der Batteriezellfertigung bringen diese Methoden jedoch teils an ihre Grenzen. Es ist daher notwendig, dass das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung, also die Planung, Prüfung, Kontrolle und Verbesserung aller betrieblichen Abläufe, die zur Herstellung von Produkten beitragen, auf eben jene Anforderungen der Batteriezellfertigung ausgeweitet wird.

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Ein effektives und effizientes Qualitätsmanagement wird zu einem entscheidenden Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit. Das Ziel dabei: Eine reibungslos funktionierende Batteriezelle gemäß Kundenanforderungen sowie eine hohe Prozessqualität. Zur Absicherung beider Faktoren ist insbesondere im Automotive-Bereich die Zertifizierung nach Qualitätsstandards und die Erbringung statistischer Nachweise üblich.

Was ist Qualität?

Für den Qualitätsbegriff gibt es verschiedene Definitionen. Nach der DIN ISO 9000 bezeichnet Qualität den »Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines Objekts Anforderungen erfüllt«. Dies lässt sich am Anwendungsfall der Batteriezelle aus Endanwendersicht anhand vier zentraler Anforderungsbereiche messen:

1. Kapazität

Automobilhersteller forcieren die Optimierung von Fahrzeugbatterien, d.h. durch eine höhere Energiedichte soll mehr Reichweite und zugleich eine Kostenreduktion erzielt werden. Damit erhöhen sich die Anforderungen an die volumetrische Energiedichte – kurzum: Viel (Energie-)Kapazität auf wenig Raum.

2. Leistung

Vor allem in energieintensiven Anwendungen, wie z.B. der Elektromobilität, kommt es auch darauf an, die in der Zelle gespeicherte Energie in kurzer Zeit abrufen zu können, oder auch in umgekehrter Form im Rahmen des Schnellladens wieder zuführen zu können. Die Fähigkeit jeder produzierten Zelle, diesen Anforderungen gemäß den Spezifikationen nachzukommen, kann ebenfalls aus Qualitätssicht betrachtet werden. Relevante Parameter sind hier neben der Zellspannung vor allem die maximale Lade- und Entladerate sowie der Innenwiderstand.

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Anhand vier zentraler Bereiche lassen sich die Anforderungen an die Batteriezelle messen: Während die Kapazität (1) und die Leistung (2) einer Batterie sich auf die Optimierung von Fahrzeugbatterien sowie auf das schnelle Abrufen und Zuführen von gespeicherte Energie beziehen, berücksichtigen die Zuverlässigkeit (3) und die Sicherheit (4) die Lebensdauer einer Batteriezelle und die Widerstandfähigkeit der Batterie gegen Missbrauch .

3. Zuverlässigkeit und Lebensdauer

Die Anforderungen an eine Batteriezelle umfassen auch die Zuverlässigkeit. So verrät zum Beispiel der »State of Health« (SoH), wie es um den aktuellen Zustand der Batterie bestellt ist. Auswirkungen auf den Zustand haben dabei zum einen das tatsächliche Alter der Zelle und die Häufigkeit der Ladezyklen. Neben der gewöhnlichen kalendarischen Alterung sind auch Qualitätsfehler im Herstellungsprozess Risikofaktoren bei der Lebensdauer einer Batteriezelle.

4. Sicherheit

Ebenso können externe Einflüsse (bspw. bei Verkehrsunfällen) sowie Produkt- und Prozessfehler häufig die Ursache für eine unkontrollierte Reaktion innerhalb der Batteriezelle, die bis zum Brand der Zelle führen kann, sein. Dies wird im Fachjargon als »Thermal Runaway« bezeichnet. Dem Thema »Sicherheit« kommt daher aus Qualitätssicht eine massive Bedeutung zu. Neben einem robusten Produktdesign kommt es hierbei vor allem in der Produktion darauf an, prozessinduzierte Fehler durch stabile Prozesse weitestgehend zu vermeiden sowie fehlerhafte Produkte zuverlässig zu erkennen und aus der Produktion zu nehmen. 

Welche Fehler können im Fertigungsprozess auftreten?

Die Produktion von qualitativ hochwertigen Batteriezellen erfordert die systematische Identifikation möglicher Problemfelder. Zugleich ist es oftmals komplex, die zugehörigen Fehlerbilder automatisiert, schnell und zuverlässig in den produzierten Batterien zu detektieren. Methodisch abgesicherte Verfahren, wie die Fehler-Möglichkeiten- und Einfluss-Analyse (FMEA) helfen, Fehler frühzeitig zu identifizieren und die Produktion fehlerfreier Produkte im Zuge einer proaktiven Risikooptimierung zu ermöglichen.

Die Fehlermöglichkeiten entlang der Prozesskette sind dabei vielfältig. So können sich zum Beispiel bereits in der Elektrodenfertigung während des Mischvorgangs Klumpen, sogenannte Agglomerate, bilden. Dies kann zu Fehlern in nachfolgenden Prozessschritten und Leistungseinbußen durch geringere Kapazität und Lebensdauer führen. Auch beim Vereinzeln, also dem Herausstanzen der einzelnen Elektrodensheets vor Stapelprozessen, ist es möglich, dass es im Schneideprozess zur Partikelverunreinigungen – in Form von Spänen, Spritzern oder Splittern – in der Zelle kommt, die dann auf der Folie hängen bleiben. Dieses Fehlerbild ist vor dem Hintergrund der Sicherheit besonders kritisch: Die leitfähigen Partikel durchdringen schlimmstenfalls den Separator und erzeugen einen Kurzschluss, welcher im Rahmen des bereits angesprochenen »Thermal Runaway« die Batterie entzünden kann. Erfolgt das Stapeln bzw. Wickeln der Elektrodenfolie nicht mit ausreichender Präzision, ist es möglich, dass sich Anode und Kathode im Extremfall ungewollt berühren, ein Kurzschluss entsteht, der dann wiederum ein hohes Schadens- und Sicherheitsrisiko darstellt.  

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Bereits bei der Elektrodenfertigung während des Mischvorgangs können sich Klumpen (Agglomerate) bilden. Partikelverunreinigungen beim Schneideprozess durch Späne, Spritzer oder Splitter können im schlimmsten Fall zu einem Kurzschluss führen, der die Batterie entzünden kann.

Welche Prüfverfahren können die Fehler erkennen?

Für die Detektion von Partikelverunreinigungen gibt es verschiedene Ansätze. Oftmals kommen in der automatisierten Fehlererkennung bildgebende Verfahren zum Einsatz. So lassen sich die beschriebenen, besonders kritischen Partikelverunreinigungen zum Beispiel auf kamera- und röntgenbasierten Verfahren erkennen. Letztere erlauben vor allem am Ende der Prozesskette eine Qualitätsprüfung von Fehlern, die nach dem Zusammenbau der Zelle von außen nicht mehr sichtbar sind. Neben dem bestehenden 2D-Röntgenverfahren ist das Computertomographie-Verfahren (CT) ein weiteres Verfahren im Bereich der zerstörungsfreien Produktprüfung zur Qualitätssicherung, welches derzeit intensiv weiterentwickelt wird. Insbesondere wegen der Fähigkeit, innenliegende Strukturen detailgetreu, dreidimensional sichtbar zu machen, wird die CT oft als Referenzmethode herangezogen. Mithilfe der CT werden so verschiedene Fehlertypen, bspw. falsche Ablagepositionen, Abweichungen in der Anzahl und Reihenfolge der Kathoden und Anoden sowie unzureichende Qualität im Zusammenbau und Partikelkontaminationen, sichtbar. Nur mithilfe einer fortschrittlichen Bildgebungstechnologie einschließlich Kamera-, Röntgen- und/oder der beschriebenen CT-Inspektion an verschiedenen Punkten der Prozesskette ist es möglich, Fehler zu erkennen. Inline-fähige CT-Systeme im Rahmen industrieller Taktzeitanforderungen sind dabei zurzeit noch Gegenstand von Forschung und Entwicklung. Darüber hinaus gibt es in der Batteriezellproduktion eine Vielzahl von Fehlerbildern und entsprechenden konventionellen und innovativen Mess- und Prüfmitteln.

Künstliche Intelligenz in der Qualitätssicherung

Die rasante Entwicklung des Batteriemarktes erfordert fortschrittliche Prüfverfahren insbesondere auch im Bereich der Datenauswertung. In diesem Zusammenhang kann der Einsatz auf künstlicher Intelligenz basierender Prüfsysteme die erfolgreiche Fehleridentifikation beschleunigen, um so eine höhere Produktqualität sicherzustellen und Ausschussraten zu reduzieren. Die Entwicklung neuartiger Konzepte für eine leistungsfähige Prozessüberwachung trägt so dazu bei, dass die digitalen Werkzeuge langfristig eine Prozesskontrolle für eine Null-Fehler-Produktion in großen industriellen Prozessketten ermöglichen.

Weiterführende Informationen & Quellen: